Grand Hotel 'Lotus'/ Tara, Marianna (offen)

Die Dunkelheit würde bald herein brechen und Marianna machte zum wiederholten Male seit Jahren ihre 'Gradwanderung', wie sie es gerne zu nennen pflegte. Sie lief immer und immer wieder diesen Teil der Stadt ab, es war ihr Revier. Heute war sie wieder zwei Stunden vor der Dämmerung aufgebrochen, so wie fast jeden Tag, allerdings hatte sie kaum auf das Tageslicht geachtete, das sich immer mehr hinter dem Horizont verkroch. Erst als das Rot der Sonne den Himmel in rauchiges Blut getaucht hatte, fiel es ihr auf.
Sie kniff die Lippen zusammen. Wunderbar Marianna, ganz toll gemacht und wohin willst du nun gehen?! Der einzige Ort, der ihr zum Übernachten einfiel war ein leer stehendes Hotel in der Nähe. Vor einigen Jahren war der Besitzer den neuen Umständen des Lebens erlegen, die nun auf der halben Welt herrschten und da er keinen Nachfolger hatte, blieb das Gebäude leer. Heute sagte man, dass Geister all der verstorbenen Gäste dort hausten, doch Marianna kannte keine Furcht vor den Legenden und merkwürdigen Gerüchten, die unaufhörlich um manche Dinge kreisten, seit die Welt sich gewandelt hatte. Und aus diesem Grund steuerte sie auch ohne das geringste Zögern besagtes Gebäude an.

Die Tür quietschte furchterregend, als sie sie aufschob. Innen herrschte Zwielicht, Spinnweben tanzen im vergehenden Tageslicht und Staub wirbelte auf, als sie eintrat. Kuschelig... aber für eine Nacht wird es reichen, war ihr verbissener Gedanke. Sie stieg über einen herab gestürzten Dachbalken und hielt auf die Treppe zu, die sie im Dämmerlicht kaum auszumachen vermochte. Mit einem missbilligendem Blick bemerkte sie, wie morsch die Treppe bereits war – aus welchem Jahrhundert stammte sie eigentlich?! Mit einem schicksalsergebenem Seufzen setzte sie den Fuß auf die erste Stufe und hoffte inständig, die maroden Holzbalken mochten nicht unter ihr zusammen brechen. Bestimmt war dies einmal die Treppe gewesen, wo auch wichtige Persönlichkeiten hinauf stiegen, doch heute war sie nicht einmal mehr gut genug für Bettler. Nur für sie, Marianna, denn sie hatte beschlossen die Nacht nicht unter freiem Himmel zu hausen. Sie war schließlich noch nie zimperlich gewesen, was die Wahl ihres Schlafplatzes anging.

An Zimmern hatte sie eine Reihe Auswahl und sie entschied sich spontan für eine große Suite, die am Anfang des ersten Gangs lag. Zu ihrem Leidwesen fiel die Tür aus den Angeln, als Marianna sie auf drückte. Mit einem resignierten Seufzen nahm sie es als gegeben hin – hier würde sie vermutlich ohnehin niemand überraschen – und betrat das Zimmer. Das Licht funktionierte erstaunlicher Weise noch, der Nachteil daran war, dass jeder sie von draußen sehen konnte. Naja, nur kurz, ganz kurz... Sie wollte versuchen, ob das Wasser noch angeschlossen war, um sich wenigstens das Gesicht zu waschen. Mit diesem Vorhaben betrat sie das kleine Bad.

Tara schlich sich durch die Straßen. Es war schon dunkel. Viel zu gefärlich für eine Junges Mädchen wie sie. Das würde ein Donnerwetter gben. Sie sah sich um. Kein Licht. Verdammt ich sehe nichts Bedächtig tastet sie sich an der Wand entlang.
Nach einer Weile, endlich ein Licht. Sie rannte drauf zu. Es kam aus einem Hotel. Nach kurzer suche fand sie den Eingang.
Im Hotel sah sie sich um. "Hallo?" fragte sie ängstlich " Ist hier jemand?"

Sie blickte in den Spiegel und kniff die Lippen zusammen. Herr Gott, Marianna, du hast auch schon mal besser ausgesehen, dachte sie, als sie die tiefen Ringe unter ihren Augen sah. Als sie denn Wasserhahn aufdrehte, kam immerhin ein dünner Strahl hervor. Zum dritten Mal an diesem Abend seufzte sie und spritzte sich das Wasser ins Gesicht.
Sie hielt abrupt inne, als sie von unten ein Geräusch hörte, das klang, als würde jemand die marode Tür öffnen. Marianna hielt den Atem an, um bloß kein Geräusch zu verpassen, das möglicher Weise noch folgen würde. Vorsichtig schloss sie den Wasserhahn und griff beim Verlassen des Bads nach einem Handtuch. Sie tupfte sich das Gesicht trocken, dann trat sie an die Tür und sah auf den Gang hinaus. Das Atmen fiel ihr noch immer schwer. Würde nun ihr Leichtsinn die letzten Jahre ohne Angst bei Nacht auf den Straßen herum gelaufen zu sein, bestraft werden, indem sie irgendein Penner oder Schläger überfiel?! Marianna, die früher weder Furcht noch Skrupel gekannt hatte, fühlte wie sich bei diesen Gedanken plötzlich ihr Herz zusammen zog. Eigentlich hatte sie nie vorgehabt irgendeinem brutalen Menschen zum Opfer zu fallen. Sie war sich stets ihrer Selbst sicher gewesen.
Bevor sie noch auf den Gedanken kam umzukehren, und womöglich die Flucht durch das Fenster zu ergreifen – was angesichts der Tatsache, dass sie sich im ersten Stock befand wirklich übel gewesen wäre – trat sie vorsichtig auf den Gang hinaus.
In diesem Moment vernahm sie von unten eine schwache Stimme. [i]“Hallo? Ist jemand da?“,[i] fragte sie. Es klang nach einem Mädchen, doch Marianna wollte sich auf gar keinen Fall in Sicherheit wiegen. Wie oft wurden unschuldige Kinder vorgeschickt, um auszukundschaften, wer sich an bestimmten Orten aufhielt?! Zu oft und deshalb waren ihre Sinne auch weiterhin aufs Äußerste gespannt. Sie trat an das halb herunter gebrochene Geländer und wagte einen vorsichtigen Blick nach unten. Das war tatsächlich ein Mädchen und so wie sie wirkte, war sie wohl verunsichert und vielleicht auch ängstlich. Aber diese 'Köder' waren immer gute Schauspieler.
Später konnte Marianna nicht mehr sagen, was sie aus dem Schutz der Dunkelheit hatte heraus treten lassen, aber vermutlich war es Mitleid – ein Gefühl, das ihr Herz schon seit langem nicht mehr erreicht hatte. Doch dieses Mädchen wirkte wirklich verloren und es drängte sie dazu zu helfen. „Nur ich bin hier“, antwortete sie auf ihre Frage, während sie die Treppe hinunter stieg.
Herr Gott, das Mädchen war wirklich noch jung, wenn sie alt war, war sie 18. Doch Marianna schätzte sie so um die sechzehn, siebzehn. „Mein Name ist Marianna.“ Sie erinnerte sich gerade noch rechtzeitig, dass es überlebenswichtig war sich sofort mit Namen vorzustellen. Nur anhand dessen erkannte man schließlich, ob jemand einer Sekte angehört und ob dieser Freund oder Feind war. Allerdings, so schallte sie sich, war es auch äußerst unklug sich jemandem vorzustellen, von dem man nicht wusste, auf welcher Seite er stand.

Tara wich zurück. Dort stand eine Frau, mit bloden Haaren, so ca. 20-25 Jahre alt. Sie schein irgendwie keine Gefahr, nein sie wirkte nett. Ganz anders als all die anderen die ihr an diesem Abend bereits begegnet waren. Sie fasste einen Entschluss, sie würde antworten. Zögernd begann sie "M-m-mein Name ist Tara. W-was machen sie hier?" fragte sie zaghaft, sie wusste nicht wie sie reagierern würde sie hoffte inständig das man sie nicht gteäuscht hatte, und das sie nicht gleich mit einer Waffe auf sie losstürmen würde. Vielleicht, wae sie auch der Ansicht sie sei ein Spitzel, der das Hotel durchsuchen sollte. Auch nur eine Marrionette des Puupenspielers, wie sie ih manchmal nannte. Sie wich mehrere Schritte zurück. "Ich komme in Frieden. " sagte sie. Sie wollte keine Zweifel bei der Frau lassen das sie auf ihrer Seite stand.

Marianna legte den Kopf schief und musterte ihr Gegenüber eingehender. Kaum dass sie sich vorgestellt hatte, wirkte sie ein wenig unsicher, doch gleich darauf strafften sich ihre Schultern und sie schien zu beschließen, dass sie ihr traute. Marianna schüttelte innerlich den Kopf. Törichtes Mädchen, sie war wirklich noch sehr jung. Zwar glaubte Marianna nicht, dass das junge Mädchen gefährlich war, nein mittlerweile war sie davon überzeugt, dass sie von niemandem geschickt worden war.
„Mein Name ist Tara. Was machen Sie hier?“, fragte sie in diesem Moment.
Marianna lachte leise. „Was ist hier mache? Nun, ich könnte jetzt fragen: Wonach sieht es denn aus? Falls du nun denkst, ich wäre von jemandem geschickt worden, irrst du dich, dem ist nicht so. Eigentlich bin ich nur hier, um hier zu übernachten.“ Sie rieb sich sacht das Kinn. „Nur dich kann ich noch nicht so ganz einordnen. Was tust du hier? Oder sollte ich besser fragen, wovor du wegläufst?“
Marianna war der Ausdruck auf Taras Gesicht nicht entgangen. Sie kannte die Miene, die verriet, dass man schnell gerannt war und womöglich sogar Angst hatte. Und Tara wirkte irgendwie... nun ja, sie wirkte eigentlich wie ein unschuldiges, junges, nicht sonderlich selbstbewusstes Mädchen, doch Marianna beschloss ihre Vorurteile zurück zu stecken und erst einmal zu testen, ob diese denn auch der Wahrheit entsprachen. Normal kümmerte sie sich schließlich nicht darum, was andere taten... Warum sollte es sie bei Tara kümmern?
„Nun, falls du vorhast auch hier zu übernachten, hoffe ich sehr, dass du ein leiser Hausgast bist und nicht schnarchst“, sagte sie mit vernehmlichem Sarkasmus.

Tara zuckte zusammen als sie wieder die Stimme der Frau, die sich Marianna nannte, vernahm. Es war sehr verstörend zu dieser Zeit an diesem Ort auf jemanden zutreffen der einem nicht nach dem Leben trachtete. Zu oft war es ihr schon passiert, doch Tara hatte es geschafft die Kunst des Rennens, also wirklich schnell zu rennen, anzueignen. Etwas selbstsicherer begann die sechzehnjährige nun: „ Keine Sorgen, ich war schon immer sehr leise.“ Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht als Erinnerungen an die Geschichten ihrer Mutter in ihr aufstiegen. Sie hatte ihr erzählt das Tara als Baby nie geschrieen hätte, und so dafür gesorgt hatte das ihre Eltern sich um ihre Gesundheit sorgten. „Und ich wüsste nicht das mich jemand verfolgt. Ich brauche nur einen Ort um die Nacht zu überstehen.“ Plötzlich hörte sie ein Geräusch. War ihr doch jemand gefolgt? Erst konnte sie es nicht einordnen, es war eine Art Kratzen. Sie erstarrte vor Angst. „Haben sie das gehört?“ Wisperte sie, immer noch unter Schock stehend. Sie betete das es nichts war. Nur ein Tier. Oder der Wind der Äste an einer Hauswand entlang kratzen ließ.